Die Ausgleichswelle und Ihr Riemen ! Fakten, Mysterien, Gerüchte

  • Fangen wir mal von vorne an:
    Die Ausgleichswellen:
    Im 4G63 T ( Evo Turbo Motor ) sind derer 2 verbaut.
    Diese nennt man „Vordere Ausgleichswelle“ verbaut VOR der Kurbelwelle und wird angetrieben durch die Ölpumpe vom Hauptzahnriemen.
    Und die „hintere“ ( AKA „oberere“ ), die hinten im Block sitzt und durch einen separaten kleinen Zahnriemen angetrieben wird. ( der gerne bei hohen Drehzahlen reißt )


    Warum 2 Wellen.
    Einfach gesagt weil eine Ausgleichswelle genau IN der Kurbelwelle laufen müsste, um eine richtige Wirkung zu entfalten. Daher kam ein findiger Engländer ( tbv ) auf die Idee, die rotierenden Massen auf 2 Wellen zu teilen und so vor bzw. hinter der Kurbelwelle jeweils eine der beiden anzuordnen. Doch warum ist eine unten und eine oben. Auch einfach, durch das wirkprinzip würde der Block in einem bestimmten Moment (90 Grad und 270 grad KW) massive Kräfte aufnehmen müssen. Da auch das wieder zu Schwingungen führen würde, kam er auf die Idee die Massen auch in der höhle gestaffelt anzuordnen.


    Genaue Erklärung hier:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Lancaster-Ausgleich


    In Japan wurde dann die höhenversetzte Ausgleichswelle perfektioniert.


    Die Ausgleichswellen laufen im Evo mit doppelter Motordrehzahl und gegenläufig.
    Die „hintere“ mit der KW, die Vordere in umgedrehter Drehrichtung durch die Zahnräder der Ölpumpe.
    Nochmals: Doppelte Drehzahl !!! bei 8000 RPM an der KW drehen diese Wellen mit 16000 RPM !!!
    Jede Welle wiegt etwa geschätzt 2-2,5 KG mit einer Unwucht von ca 60 %


    1.1 Braucht der 4G63 diese Wellen.
    Den 4G63 konnte man in diversen Modellen auch ohne Ausgleichswellen erwerben.
    Dabei handelte es sich fast ausschließlich um Saugmotoren mit Leistungen zwischen 60 und 136 bzw 150 PS
    .
    Diese Modelle hatten alle sehr weiche, auf Komfort ausgelegte Motoren lager.
    Da diese Motoren eh nur niedrige Leistungen hatten, und dazu auch keine hohen Drehmomente, wurden die entstehenden Schwingungen 2 ter Ordnung einfach durch die weicheren Motor und Getriebelager aufgehalten.


    Da der Evo Turbo Motor wesentlich höhere Drehmomente entwickelt, waren weiche Lager keine Alternative. ( auch wegen dem Allradabtrieb nach hinten)
    Daher blieb nur die Ausgleichswellenlösung. ( auch ein noch so gut gewuchteter Kurbeltrieb und gleiche Massen aller beteiligten Teile kann die Schwingung 2 ter Ordnung nicht beseitigen )


    Nötig sind die Ausgleichswellen aber nicht ( siehe 1.2 )


    1.2 Was muss / sollte man tun wenn man sie entfernen will
    Kurbeltrieb Fein-wuchten lassen. Idealerweise auf ca 0,5 -1 Gramm.
    ( Industriestandard ist für eine 4 Zylinder welle ca. 5 Gramm )
    Die originalen Mitsubishi wellen für den 4G63 und 4G64 sind meistens unter 2 Gramm
    Kolben und Pleul auf gleiches Gewicht bringen ( soweit möglich ) was bei Schmiedekolben und Pleueln nur selten nötig ist, solange sie von einem Markenhersteller stammen.
    Rotierende Massen verringern ( Soweit möglich leichtere Teile verwenden )
    Leider führt das nicht immer zu einem guten Ende, da z.B. H-Schaft Pleuel nicht wirklich mit Drehmomenten belastet werden wollen ( Eher für hochdrehende Sauger zu empfehlen )


    1.2 Wann muss / sollte man sie entfernen
    Bei Motoren die in Rennfahrzeugen eingesetzt werden soweit zulässig.
    Bei Motoren die ständig / häufig in den höheren Drehzahlen betrieben werden
    Bei schmerzfreien Strassen-fahren die ¼ Meile oder Rundstrecke ihr zuhause nennen.
    Bei allen Stroker Motoren wie 2,27 oder 2,3 Liter ( 100 mm Hub )
    Bei diesen MÜSSEN die AGW´s raus, da die Pleuel sonst in Kontakt mit den Wellen kommen würden.
    Bei manchen 2,2 Liter Kurbelwellen ist das nicht nötig, aber empfohlen.


    1.3 Welche Nachteile bringt es
    Erhöhte Vibrationen im Bereich 3100 -3600 Rpm und bei 7200 RPM
    Bei einem Fein-gewuchtetem Motor sind diese kaum zu spüren, aber Kleingeld in der Mittelkonsole könnte vibrieren. ( ist eine recht hohe Frequenz von ca 120 HZ )
    Bei Serienmotoren könnte es spürbar sein, meistens im Kupplungspedal oder am Schalthebel
    Sollte man härtere Motorlager verbaut haben, wird es definitiv spürbar sein am Bodenblech


    1.4 Wie wird’s gemacht
    Nur den kleinen Zahnriemen entfernen geht mal gar nicht. Dadurch würde man zwar die hintere Welle tot legen, aber die vordere würde einfach weitermachen. Die entstehenden Vibrationen sind so schlimm, das z.b. die Glühbirnen durchbrennen, alle Vorderachsteile und Kardanwelle extrem vibrieren und die Bodenbleche anfangen zu schwingen.


    Dasselbe ist auch wenn beim Zahnriemenwechsel die Vordere Welle 1 Umdrehung verdreht aufgelegt wird.


    Um die Wellen auszubauen, muss der Motor ca. 10-15 cm abgelassen werden
    Ölwanne runter, Saugschnorchel Ölpumpe ab, Zahnriemen runter, Alle KW Räder runter
    Dann wird das gesamte vordere Steuergehäuse vom Block getrennt ( Aluminiumteil )
    Wenn man es rauszieht, hängen beide wellen hintendran.
    Die hintere wird komplett entfernt. Anstelle des Wellendichtringes wird ein Blindstopfen ( originales Mitsubishi Ersatzteil ) angebracht.
    In das Loch des Spanners wird später eine M8 x 20 Schraube montiert.


    Bei der vorderen gibt es 3 Varianten.


    A: Welle absägen, und die nun offen-liegende Ölbohrung mit Gewinde versehen, schraube eindrehen und verkleben oder Verschweißen
    Da dies die Pfusch Variante ist, werde ich nicht genauer darauf eingehen.


    B: Originales Mitsubishi Ersatzteil benutzen von den 4G63 Saugern
    Diese ist eine weit verbreitete Methode, die genau so auch OEM eingesetzt wird.
    Bis jetzt konnten keine negativen Auswirkungen beobachtet werden.

    Im Bild ist auch der Blinddeckel und die beiden Lager zu sehen ( mehr dazu gleich )


    C: Es gibt auch abgedrehte Wellen. Bei diesen bleibt das hintere Lager intakt.
    Man sagt, dass so der Support für die Ölpumpe besser sei. Ob dem so ist, kann schwer gesagt werden. Da es die teuerste Variante ist, sollte man es nur dann machen wenn Geld nicht eine Rolle spielt, Haltbarkeit jedoch mehr, z.B. Hohe Laufleistung auf der AB mit 2,3 Liter Motoren ( auch hier braucht man noch die Lager und den Deckel )
    Hier ein Beispiel von Lancershop


    Dann der schwierige Teil. Da die hintere Welle aus dem Hauptölkanal versorgt wird, müssen die beiden Lagerschalen IM Block gedreht werden.
    Diese besitzen eine Bohrung von ca. 5 mm zum Hauptölkanal.
    Idealerweise benutzt man das Mitsubishi Spezialwerkzeug.
    Dabei kann man die alten Schalen wieder verwenden.
    Sollte man es mit Universalwerkzeug machen, sollte man neue verbauen
    Die Ölbohrungen sollten nach dem Einbau senkrecht oben oder unten sein.
    Das hintere Lager ist ca. 20 cm tief im Block!!!
    Die beiden Lager haben verschiedene Durchmesser, das beachten, das innenliegende ist das kleinere.


    Genaueres ist gut im WSM zu sehen, aber Achtung, dort wird der Einbau für Motoren MIT Ausgleichswelle beschrieben.


    1.5 Was bringt es mir
    Reduzierung der drehenden Masse ( statisch ca 4 kg, Dynamische Masse durch die Unwuchten bedeutend höher, kann ja mal ein Physiker ausrechen )
    Besseres Hochdrehen des Motors
    Keine Gefahr mehr den Motor zu verlieren durch einen gerissenen kleinen Riemen.
    (meistens geht auch der Große dann gleich mit, was dann die Ventile deformiert.
    Mehr Drehzahlfestigkeit durch weniger Massen ( Gut gebaute 2.0 Motoren können kuzzeitig bis zu 10500 Rpm gedreht werden, z.b. ¼ Meile.


    1.6 Wann ist der beste Zeitpunkt so was zu machen
    Nach einem Motorschaden wegen gerissenen Zahnriemen ( da ist eh die maschine draussen )
    Wenn der Motor umgebaut wird ( Stroker, Schmiedemotor ) oder revidiert wird.
    Wenn die Kupplung getauscht wird. ( da ist eh so viel ausgebaut, da geht das einfacher )


    2: Resümee
    Also immer raus damit


    NEIN
    Wenn eh der Motor gemacht wird, kann man auch gleich alles wuchten und dann die Wellen ausbauen. ( egal ob nur Überholung oder Umbau )


    Wenn nur die Wellen raus sollen, weil sie raus sollen… ( was ein Satz ) würde ich es eher nicht machen. Da der Block mit Kurbelwelle nicht zerlegt wird ( z.B. Kupplungswechsel ) kann man auch nicht wuchten und wiegen. ( ausnahmen Punkt 1.2 )


    2: Bekannte Probleme mit den Ausgleichswellen
    Motoren der Evo 8 USDM Serie BJ 1/2003 – 08/2004: ( A3, teilweise A4 in der FGSTNR )


    Das im Motorblock liegende Lager der hinteren Ausgleichswelle verschleißt mehr als es gut wäre. Welle frisst dann, Lager fällt aus dem Sitz.
    Symptome: Klackern bei ca 2400 – 3800 RPM, wie ein Pleullager-schaden, niedriger Öldruck im Standgas bei warmen ÖL ( >90 Grad ), Öldrucklampe glimmt / flackert, manchmal schabende Geräusche bei 1800- 3500 RPM, Lagermaterial in der Ölwanne.
    Reparatur : Bolzen ( mit 2 grad andrehung, M8 Gewinde, min 8.8 Güte ) durch das mit einer Madenschraube verschlossene Bohrloch von außen durch den Block bis in den Ölkanal.
    Es ist nicht möglich, ein neues Lager einzusetzen, da meistens der Block selber schon beschädigt ist und die Bohrkosten samt Übermasslager zu hoch wären
    Es werden dann beide AGW´s entfernt


    Vibrationen nach Zahnriemenwechsel:


    Vordere AGW nicht richtig eingestellt. 1 Umdrehung daneben.
    Bei der hinteren kann man nichts falsch machen da die Markierung eindeutig sind ( eigentlich ! )


    Quietschendes, schleifendes Geräusch aus dem rechten Radhaus, bei Standgas und bis ca. 2500 RPM:


    Kleiner Zahnriemen zu fest gespannt nach Riemenwechsel, das Vordere Lager macht diese Geräusche. ( NICHT WEITERFAHREN Lager zerstört sich relativ schnell selbst…Motorschaden )

    Du brauchst nur 2 Werkzeuge: WD40 und Klebeband:
    Wenn es sich bewegen sollte, es aber nicht tut -> WD40 ; Wenn es sich bewegt, das aber nicht sollte -> Klebeband

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  • Ich fahr zwar ein Xer aber trotzdem sehr schöner Bericht.
    Würde ich gerne mehr lesen :thumbsup:

    Achtung ! Manche Fahrzeughersteller liefern unfertige Fahrzeuge aus.Sie haben vergessen alle Räder mit dem Motor zu verbinden. :D

  • Super gemacht! :)


    unter 1.4 gäbe es noch Punkt D
    Welle raus, abdrehen, und gleich wieder rein :D

    Ich wollte mich mit Dir geistig duellieren. Aber ich sehe, du bist unbewaffnet.


    ...und beurteile mich nicht nach deinen Fähigkeiten.


    HAITEC

  • Kleine Anmerkung - falls beim Zahnriemenwechsel die Zeitpunkten diese Ausgleichswellen nicht korrekt eingestellt sind, merkt man nicht nur durch Vibrationen sondern auch dass der Zahnriemen innerhalb minuten unter EXTREM viel Spannung steht - der Grund ist dass durch die Vibrationen der Zahnriemen flattert - dann wird es vom Hydraulishe Spannungteil 'nachgespannt'.


    Wird man hier weiterfahren, dann kann man mit verschiedene Probleme rechnen - u.a. gerissene Zahnriemen, Kaputtene Spannungs- und Riemenrollen bis hin zu Lagerschalenprobleme am Kurbelwelle und Nockenwellen.


    Also nicht weiterfahren falls es Vibrationen gibt nach ein Zahnriemenwechsel!


    DANKE


    ON-UJAH



    "In any racing engine the nearer you are to it disintegrating in general the better its performance will be." (K. Duckworth)

  • @All


    Danke :)


    SKYY :


    Hast natürlich Recht, geht auch wenn man ne Drehbank mit weichen Backen hat. ( Die DU natürlich hast, vermute ich mal so... ;) )


    @ON


    Das ist richtig, immer wenn es nach dem Wechsel des Riemens Probleme gibt,
    Die richtigen Leute anrufen und das Problem einkreisen.
    Nur auf deren Ansage weiterfahren.
    Wen man anruft, sollten eigentlich alle wissen (zb. IR oder Dino oder jemand der sich auskennt...)


    peter & BreilerM


    kommt....



    Und noch nen Update (wegen Zeitlimit kann ich es nicht einfügen )
    Von oben nach unten:
    Hintere bzw Obere AGW OEM
    Vordere AGW original
    Vordere AGW abgedreht
    Stummel AGW Ersatz
    daneben: Aludeckel zum Einschweissen und OEM Verschlussdeckel


    Du brauchst nur 2 Werkzeuge: WD40 und Klebeband:
    Wenn es sich bewegen sollte, es aber nicht tut -> WD40 ; Wenn es sich bewegt, das aber nicht sollte -> Klebeband

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  • Hat eigentlich mal jemand einen Bildbericht dazu gemacht wie man die Wellen ausbaut,was man machen muss mit den Wellen und was man dazu an Teilen braucht?


    Ich wurde vor kurzem danach gefragt,weil er es nicht ganz versteht.
    Mich würd es auch interessieren wie man es genau machen muss :D

    Die größte Stärke ist,keine Stärke zu zeigen!

    Einmal editiert, zuletzt von Patrik B. ()

  • Hier habe ich mal eine Frage. Wird die Kurbelwelle alleine gewuchtet, oder mit Schwungscheibe / Riemenscheiben?


    wie mans mag, resp. je nach baugrösse der wuchtmaschine. ICH würds getrennt wuchten, da das Schwungrad infolge geringer Bauhöhe sogar statisch gewuchtet werden kann. die KW hingegen muss dynamisch gewuchtet werden.


    Toni; der 4g63 läuft feingewuchtet tatsächlich schön, trotzdem wird die Unwucht 2.Grade ohne AGW s nicht mehr kompensiert. Ist aber so wie wir den Evo lieben zu verschmerzen;)

    Ich wollte mich mit Dir geistig duellieren. Aber ich sehe, du bist unbewaffnet.


    ...und beurteile mich nicht nach deinen Fähigkeiten.


    HAITEC