Frage zu Bremsbelagblechen

  • Heute wollte ich mal eben schnell die Vorderen Bremsen erneuern. Musste dann aber feststellen, dass die Bleche, die laut Werkstatthandbuch zwischen Kolben und Belag kommen nicht verbaut sind. Stattdessen haben die Brembo Beläge die verbaut sind jeweils ein Blech aufgeklebt.

    Die Beläge die ich habe, auch Brembo, haben aber keine Bleche.

    Gabs da mal ne Umstellung wo die das geändert haben und ich hab jetzt quasi die alten Beläge?

    Hatte vllt schonmal jemand das gleiche Problem?

  • Nene die Bleche waren auf die Beläge geklebt. So sehen die wohl neu aus, haben auch ne Lauf Richtung im Gegensatz zu denen die ich habe. Waren aber auch falsch drinn, also der mit Verschleissanzeiger war innen.

    Hab bei einem das Blech abgemacht aus Interesse, aber das hat kein Sinn das wieder zu verwenden. Glaube das würde mehr Geräusche verursachen als dass es bringen würde.

    Hab die Beläge jetzt so rein, der Laden wo ich sie her hab macht das wohl auch immer, und da gabs bis jetzt nie Probleme deswegen.

    Falls einer aber noch so originale Bleche übrig hat kann er sich gerne melden 😄

  • Hallo zusammen,


    beiden Thread zieht es mir als ehemaliger Bremsenentwickler echt die Fussnägel hoch.

    Aber ich möchte es euch mal erklären:

    Die "Bleche" sind sog. Shims und sind abgestimmte Akustikmaßnahmen die speziell die Kombination Belag/Bremse/Achse entwickelt werden. Es gibt ca. 1000 Versionen von Shims. Den meisten Autofahrern ist nämlich nicht bewußt, das 60% der gesamten Bremsenentwicklung "nur" Akustikentwicklung ist und es pro Fahrzeugplattform und Achse ca. 30 unterschiedliche Bremsenvarianten gibt.


    Während in Asien die sog "Clip-on-shims" üblich sind, also lose Bleche die auf die Rückplatten geclipst werden, damit sich an Ort und Tellen bleiben, sind in Europa & NAFTA sog. "bonded-shims" der Standard. Die Klebung ist relativ anspruchvoll, da der Kleber die Schwingung der Rückenplatte in das Shim überträgt und somit Dämpfung erzeugt. Da die jeweilige Akustikmaßnahme immer für ein spezielles Setup entwickelt wird, sollte man keinerfalls aufgeklebte Shims entfernen und ein Clip-on Shim verwenden, da sonst die Bremse sehr wahrscheinlich anfängt zu quietschen un dann bei mir als Kundenbeanstandung landet :(


    Gruß Steffen

  • Also wenn die wirklich nur wegen der Akkustik verbaut sind isses mir tatsächlich ziemlich latte 😆

    Deine ehemalige Arbeit in allen Ehren, ich kann mir durchaus vorstellen was da so das Klientel ist das sich beschwert (Bei Porsche und Audi ist Bremsen quietschen "Stand der Technik").

    Das einzige Bedenken das ich hatte war, dass die Platten auch gleichzeitig die Wärme von den Kolbenmanschetten abschirmen sollen und es ohne zu Problemen führen kann.

    Solange sich die Beläge schön gleichmäßig abfahren macht es mir nix sollte es ab und an mal quietschen.

    Danke dir trotzdem für deine ausführliche Erklärung, ich lag dann vermutlich mit meiner Vermutung richtig, dass diese Bleche bei mir irgendwann mal drinne waren und dann rausgeflogen sind weil auf den Belägen welche geklebt waren.

    Dann aber auf jedenfall lieber ganz ohne als mit abgekratzten, hab ich ja alles richtig gemacht 😁 (bis jetzt quietscht auch nix 😬)

    Grüße Moritz

  • Hallo zusammen,


    beiden Thread zieht es mir als ehemaliger Bremsenentwickler echt die Fussnägel hoch.

    Das ist Deine Sicht zu dem Thema, dass mit viel Hintergrundwissen nun uns rüber gebracht wurde. Woher sollen es denn Laien, Erfahrene oder auch wie ich als Kfz-Meister mit normalem Zugang zu Informationen wissen? Das kann doch nur jemand so wie Du mitteilen, der voll und ganz in dem Thema drinnen ist und diese Insiderinfos weiter gibt. Deswegen danke für die Info´s und ein einfaches "ich teile Euch mal als ehemaliger Bremsentwickler meine Erfahrungen mit", wäre besser angekommen - aber lustig ist der Spruch schon auch:thumbup:^^.


    Ich kenne die Bleche (Clip-on-Shims) natürlich auch zur Vermeidung von Quietschgeräuschen beim Bremsen. Mein Wissensstand ist der, dass die Bleche den Bremsklötzen einen 20 Grad Winkel verschaffen sollen. Die Bremsklötze sollen zuerst auf der ablaufenden Seite auf die Scheibe treffen. Ist das verkehrt oder überholt?:gruebel: Auch sind manche Bremskolben auf 3/4 der Fläche eingefräst (wenn keine Bleche vorgesehen waren) um dadurch die Bremsbeläge schräg im 20 Grad Winkel auf die ablaufende Scheibe zu führen.


    Lustig ist ja (weil wir auch Ligier Modelle verkaufen - also die 50 km/h Fahrzeuge), dass sich das Akkustikthema bei den Franzosen anscheinend noch nicht rumgesprochen hat - da werden die Beläge ohne Bleche oder 20 Grad Winkel parallel auf die Scheiben gedrückt - HIER habe ich verärgerte Kunden zuhauf, aber geändert hat sich bei Ligier bisher noch nichts.....:D

  • Hallo Stefan,


    ich stimme dir natürlich zu, daß nicht jeder das Wissen eines Entwicklers der entsprechende Technologie mitbringen kann. Leider hat nicht jeder deine Einstellung dazu, sondern ich kenne eher (vor allem in Foren) Leute die der Meinung sind, daß sie aufgrund ihres Führerscheins sowieso schon alles über Fahrzeugtechnik wissen. Man schaue sich das nur das Thema "Ich brauche kein ABS weil ich ja bremsen kann" an. Aber das paßt jetzt nicht hier hin.

    Generell bin ich offen mein Fachwissen zu teilen und mache dies z.B. auf dem jährlichen Buschtaxi-Treffen im Rahmen sog. Technik-Workshops.

    Hier mal ein Beispiel unter Corona-Bedingungen:



    ab Minute 18 erkläre ich etwas was, daß auch kein normaler Mechaniker über Bremsbeläge weiß.


    Zu deiner 20° Frage: Ziel ist es die Beläge parallel und vollflächig gegen die Scheibe zu drücken. Hintergrund ist, dass man eine homogene Druckverteilung in der Kontaktzone haben möchte, da Druckspitzen Hot Spots verursachen können, die dann zu Rubbeln führen. Zudem ist es schlecht für das akustische Verhalten und den Verschleiß. Beläge haben eine sog. Kompressibilität. Leider wird die Kompressibilität in einer "komischen Einheit" angegeben und ist somit nicht direkt vergleichbar. Diese Einheit ist "Absenkung in µm bei 160 bar Druck auf die Kolbenfläche". Damit ist es immer auch eine Eigenschaft des Bremssattels. Die Komp. muss einen bestimmten Mindestwert (150-250 µm) haben, damit sich der Beläge gleichmäßig anlegen kann und nicht die Scheibe zwischen den Stegen der Kühlkanäle "wegbiegt". Daher rubbeln Scheiben immer mit der Anzahl der Kühlkanäle und man kann mit der Wärmebildkamera die Stege erkennen.


    Mal ein Bsp. 15 Kühlkanäle, v = 100 km/h = 28 m/s, Radumfang ca. 2m => Raddrehfrequenz 28/2 = 14 Hz x 15 Kanäle = 196 Hz Rubellfrequenz. Aber jetzt wird es schon arg akademisch.


    Eine zu hohe Kom. möchte man aber auch nicht, weill sonst die sog. Volumenaufnahme steigt und das Pedalgefühl leidet.

    Beispiel hier:


    ab min 4.30.


    Da sich der Belag mit der Rückenplatte im Sattel abstützt, die Reibkraft aber in der Kontaktfläche zur Scheibe angreift, hat man die Belagdicke als Hebelarm der den Belag einlaufseitig stärker anpresst als auslaufseitig. Diesen Effekt versucht man bei Mehrkolbensättel dadurch zu kompensieren, daß die Kolben einlaufseitig kleiner sind. Da dies aber abhängig von der Belagstärke und dem Reibwert ist, funktioniert es nur mittelgut.

    Da ich früher HP-Bremsen entwickelt habe ist das ein sehr leidiges Thema. Ich habe übrigens am "größten PKW-Bremssatell der Welt mitentwickelt", dem Akebono 10 Kolbensattel.


    https://www.akebono-brake.com/…/product/highperformance/


    Zu den Einfräsungen des Kolbens oder sog. "cut-outs" in den Shims. Dies ist eine reine Akustikmaßnahme mit der man die Beläge bewußt verspannt um das Quietschen zun verhindern. Generell ist Bremsen-Quietschen ist eine Systemschwingung des gesamten Fahrwerks und jede Änderung im Fahrwerk kann eine "stabile" Bremse zum Quietschen bringen, daher auch der enorme Aufwand in der Entwicklung, da jeder Bremsen, Fahrwerkskombination extra entwickelt werden muß. Meist reicht schon der Wechsel der Felge.


    Wenn es Interesse an solchen Informationen/Zusammenhängen gibt, kann ich für ein Evo-Forums-Treffen (irgendwann nach Corona) gerne mal einen Technik Workshop zum Thema Bremsen anbieten


    Gruß Steffen

  • Hei,


    super Ausführungen - danke Dir.

    Jo - sobald das Thema Corona vorbei ist wäre ich sehr darauf zu sprechen für Deinen Workshop. Muss doch jeden hier interessieren, oder?

    Wenn ich die Bremsbeläge bei den BMW M Bremsen sehe mit den Gewichten dran wird mir vieles klar(er).

    Das Thema bitte im Auge behalten. Ich komme auf jeden Fall darauf zurück :thumbup: